Urteil: BGH zur Patientenverfügung

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Allgemeinfloskeln können Bindungswirkung zerstören

Wer in aussichtsloser Lage keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr will, der muss in einer Patientenverfügung konkrete Angaben dazu machen, welche Behandlungsformen er ablehnt. Im Einzelfall kann allerdings auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Krankheitsbildern und der wiederholte, ausdrückliche Wunsch zu sterben für eine bindende Verfügung gemäß § 1901a BGB ausreichen. 

Kontrolbetreuung erforderlich?

Der Bundesgerichtshof hat in den vergangenen Monaten zwei wichtige Entscheidungen zur Bindung von Patientenverfügungen verkündet. Durch Beschluss vom 06.07.2016 zum Aktenzeichen XII ZB 61/16 konkretisierten die höchsten deutschen Zivilrichter ihre Anforderungen an die in Patientenverfügungen getroffenen Aussagen. Seit dieser beim Anwalt für Familienrecht viel nachgefragten Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof noch einmal über eine Rechtsbeschwerde zu entscheiden, die die Geltung einer Patientenverfügung betraf.

Durch Beschluss vom 08.02.2017 zum Aktenzeichen XII ZB 604/15 verwies der Bundesgerichtshof einen Rechtsstreit zum Zwecke weiterer Tatsachenklärung zurück an das Landgericht. Gestritten wurde in beiden Fällen darum, ob lebenserhaltende Maßnahmen bei Patienten, die jeweils seit längerer Zeit im Wachkoma lagen, fortgesetzt oder beendet werden sollten. In beiden Fällen wurden die betroffenen Patienten durch eine PEG-Magensonde mit Nahrung und Flüssigkeit versorgt. Die vom Bundesgerichtshof am 06.Juli 2017 entschiedene Rechtsbeschwerde richtete sich gegen die Bestellung eines Kontrollbetreuers.

Die Patientin hatte zu Zeiten geistiger Klarheit nicht nur eine Patientenverfügung aufgesetzt, sondern auch eine ihrer Töchter dazu bevollmächtigt, ihre Interessen im Verhinderungsfall gegenüber Ärzten und anderen wahrzunehmen. Dabei sollte die Bevollmächtigte die in der Patientenverfügung enthaltenen Anordnungen umsetzen.

Sterbewunsch erheblich?

Am 08. Februar 2017 hatte der Bundesgerichtshof erneut über eine Rechtsbeschwerde zu entscheiden. Wiederum war eine Frau betroffen, die bereits seit 2008 ständig ohne Bewusstsein war und mit Hilfe einer Magensonde Nahrung und Flüssigkeit zugeführt bekam. Die Betroffene hatte vor dem Eintritt ihrer Erkrankung eine Patientenverfügung unterzeichnet. Sie erklärte darin, lebenserhaltende Maßnahmen im Wachkoma abzulehnen und wies auf Fälle von Wachkomapatienten in ihrer Bekanntschaft hin.

Sie erklärte ihren Angehörigen gegenüber, keinesfalls so wie diese Patienten behandelt werden zu wollen. Während einer kurzen Phase der Sprachfähigkeit zwischen einem Schlaganfall und dem Beginn des Wachkomas äußerte sie nochmals direkt den Wunsch, sterben zu wollen. Der Sohn der Betroffenen wollte die Weisung, die seine Mutter in ihrer Patientenverfügung erteilt hatte, ausführen und in Übereinstimmung mit dem behandelnden Arzt die lebenserhaltenden Maßnahmen einstellen. Der Ehemann der Betroffenen war dagegen und wollte, dass die lebenserhaltenden Maßnahmen aufrecht erhalten bleiben.

BGH entwickelt Rechtsprechung weiter

In beiden Fälle war die Rechtsfrage zu entscheiden, inwieweit die Bindung von Patientenverfügungen gemäß § 1901a BGB zur rechtlichen Verpflichtung führt. Wird die Rechtsbindung des § 1901a BGB für eine vom Patienten getroffene Verfügung verneint, wäre gemäß § 1904 BGB das Einholen einer gerichtlichen Genehmigung vor Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen notwendig.

Der Bundesgerichtshof hatte im Juli 2016 entschieden, dass eine Verfügungsklausel eines Patienten, der lebenserhaltende Maßnahmen ablehnt, nur bindend ist, wenn konkrete Behandlungsmaßnahmen benannt werden, beispielsweise „Ernährung mit einer Magensonde“. Fehlen solche konkreten Festlegungen, ist eine richterliche Genehmigung erforderlich.

Zum Beschluss vom Februar 2017 führen die Richter am Bundesgerichtshof nun aus, dass die konkrete Beschreibung von Behandlungsmaßnahmen oder Behandlungsabläufen nicht immer vorausgesetzt werden muss. Wenn, wie im dort zu entscheidenden Fall, genug Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass sich die Betroffene intensiv mit der Frage der Lebenserhaltung auseinandergesetzt hat, kann das ausreichen.

Der Anwalt für Familienrecht empfiehlt, alle bestehenden Patientenverfügungen jetzt zu überprüfen.

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