Schuldfrage und Unfall

Inhaltsverzeichnis

Schuldfrage: Allein- oder Mitschuld?

Voraussetzung für die vollständige Erstattung aller Schäden ist stets die alleinige Schuld des Unfallgegners. Sobald Ihnen eine Mitschuld angelastet werden kann, verringert sich Ihr Anspruch nach dem prozentualen Anteil Ihres Verschuldens.

Die Haftung eines Kraftfahrers knüpft an zwei verschiedene Tatbestände aus zwei Gesetzeswerken an: Nach § 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG) haftet nach einem Unfall, bei dem mehrere Verkehrsteilnehmer beteiligt waren, jeder nach dem Anteil seines Verschuldens. Nach § 17 III ist die Haftung ausgeschlossen, wenn sowohl Fahrzeughalter als auch Fahrzeugführer sorgfaltsgemäß handelten und das Ereignis dennoch unabwendbar war.

Nach § 823 BGB entsteht die Haftung eines Schädigers nur, wenn er schuldhaft, also fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Der praktische Unterschied zwischen den beiden Anspruchsgrundlagen besteht darin, dass nach dem Straßenverkehrsgesetz schon eine Gefährdungshaftung unabhängig vom Verschulden des Kraftfahrzeugführers eintreten kann.

Haftungsquoten nach Verschulden

Ein Verschulden setzt immer die Missachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus, also einen Regelverstoß. Klassische Beispiele sind das Überfahren einer roten Ampel, Geschwindigkeitsüberschreitung, vergessenes Blinken vor dem Abbiegen und Vorfahrtsmissachtung. Zur Ermittlung der Haftungsquote greifen Juristen gern auf Nachschlagewerke zurück, in denen bereits entschiedene Fälle gesammelt wurden, zum Beispiel die Zusammenstellung von Christian Grüneberg. Da aber kein Fall identisch mit einem anderen ist, dient die Suche nach eine einem passenden Beispiel nur dem ersten Einstieg.

Den Grad eines Verschuldens oder Mitverschuldens zu bestimmen und die Beiträge der Beteiligten zutreffend zu ermitteln, eröffnet einigen Raum für Argumentation. Hier kann ein erfahrener Fachanwalt für Verkehrsrecht, der auch mit der regionalen Rechtsprechung vertraut ist, das Ergebnis entscheidend beeinflussen.

Was ist Betriebsgefahr?

Jeder Verkehrsteilnehmer soll grundsätzlich für das Risiko haften, dass der Betrieb eines Kraftfahrzeugs für andere Personen stets mit sich bringt. Deshalb wird Kraftfahrern, auch wenn sie keine Sorgfaltspflichtverletzung begangen haben, zumeist eine Mithaftung von 25 % wegen der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs auferlegt. Ausschließen lässt sich die Haftung nur dann, wenn auch ein Idealfahrer den Unfall nicht hätte vermeiden können.

Beispiele:

• A steht vor der roten Ampel, B fährt von hinten auf. A hätte den Auffahrunfall nicht vermeiden können, sodass er nicht haftet.

• A fährt mit 160 km/h auf der linken Spur der Autobahn, als vor ihm B mit einer Geschwindigkeit von 120 km/h von rechts auf seine Fahrspur wechselt. Die beiden Fahrzeuge kollidieren. Der BGH entschied, dass der Unfall für A nicht unabwendbar war, und nahm eine Mithaftung aufgrund der Betriebsgefahr von 20 % an (BGH, Urteil vom 17.3.1992 zu Az.: VI ZR 62/91). Denn ein Idealfahrer hätte die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen eingehalten und abbremsen können.

• Ein neunjähriges Kind wirft Steine von einer Autobahnbrücke und verursacht einen schweren Unfall. Hier ist in der Regel von Vorsatz auszugehen, wenn das Kind die für sein Alter übliche Reife und Einsichtsfähigkeit hat. Demnach kann das Kind schon für den Schaden haften.

• Ein zehnjähriges Kind fährt mit einem Fahrrad ohne funktionierende Bremsen gegen ein Auto. Das OLG Köln nahm in diesem Fall typischen kindlichen Leichtsinn und keinen Vorsatz an, sodass das Kind nicht haftete (Beschluss vom 02.04.2007 zu Az.: 24 W 13/07).

Unfall mit dem Dienstwagen – welche Besondrheiten gelten?

Dienstfahrzeuge werden vom Arbeitgeber als Fahrzeughalter versichert. Wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit mit dem Dienstwagen einen Unfall verursacht, haftet er nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Bei mittlerer Fahrlässigkeit muss der Arbeitnehmer zumeist den Selbstbehalt übernehmen, bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz haftet er vollumfänglich.

Interessant sind vor allem die Fälle, in denen der Arbeitnehmer seinen Dienstwagen für eine private Fahrt nutzt und auf dieser an einem Unfall beteiligt wird. Ist der Arbeitnehmer nicht berechtigt, seinen Dienstwagen für private Zwecke zu nutzen, riskiert er nicht nur eine Abmahnung, sondern bleibt auch noch auf den Unfallkosten sitzen. Zwar tritt die Haftpflichtversicherung des Arbeitgebers zunächst ein, kann dann aber den Fahrer wegen der verbotswidrigen Fahrzeugnutzung in Regress nehmen.

Bei erlaubten Privatfahrten mit dem Firmenwagen herrscht in der Rechtsprechung Uneinigkeit. Während einige Gerichte den Arbeitgeber in die Haftung nehmen, ist etwa das Landesarbeitsgericht Köln der Auffassung, dass bei privaten Fahrten der Arbeitnehmer allein haftet (Urteil vom 15.09. 1998 zu Az.: 13 Sa 367/98). Um im Voraus Klarheit zu schaffen, sollten die Parteien des Arbeitsvertrages einen Fahrzeugüberlassungsvertrag schließen, in dem sie die Haftungsfolgen detailliert regeln.

Was bei Leasingfahrzeugen zu beachten ist

Wenn Sie mit einem Leasingwagen einen Crash verursachen, müssen Sie neben der Versicherung auch den Leasinggeber unverzüglich informieren. Bei Leasingverträgen besteht zumeist die Besonderheit der Werkstattbindung. Sie dürfen das Fahrzeug nicht selbst oder von einem Bekannten reparieren lassen, sondern der Leasinggeber nennt Ihnen die Vertragswerkstatt, in der Sie die Reparatur durchführen lassen müssen.

In vielen Leasingverträgen werden autorisierte Vertragswerkstätten eines bestimmten Autoherstellers vorgeschrieben. Haben Sie selbst den Schaden verursacht, haften Sie gegenüber der Leasinggesellschaft und können wiederum Ihre Kaskoversicherung in Anspruch nehmen.

Dabei müssen Sie einen gegebenenfalls vereinbarten Selbstbehalt übernehmen. Da durch den Unfallschaden eine Wertminderung des Fahrzeugs eintreten kann, die sich speziell bei Neuwagen bemerkbar macht, darf der Leasinggeber nach dem Ende der Vertragslaufzeit dafür einen Ausgleich in Ansatz bringen.

Wie kann ein Fachanwalt für Verkehrsrecht helfen?

Vor allem als Geschädigter, den keine Schuld am Unfall trifft, sollten Sie umgehend einen erfahrenen Rechtsanwalt hinzuziehen, der alle infrage kommenden Ansprüche kennt und in voller Höhe für Sie geltend macht. Aber auch wenn Sie die überwiegende Schuld tragen, kann ein versierter Verkehrsrechtsanwalt Sie tatkräftig unterstützen.

Möglicherweise muss der Unfallgegner sich ein Mitverschulden anrechnen lassen, sodass sich Ihre Eintrittspflicht erheblich reduziert. Bei Verteilung des Verschuldens und der Bestimmung der Haftungsquote brauchen Sie einen Spezialisten, der sich für Ihre Interessen einsetzt.

Ihr Anwalt wird dafür sorgen, dass ein unabhängiger Gutachter den Schaden beziffert und Ihnen nicht ein Sachverständiger von der Versicherung aufgedrängt wird, der die Reparaturkosten zu niedrig ansetzt. Er kann entscheiden, ob Sie einen Ersatzwagen anschaffen müssen oder berechtigt sind, Ihr Fahrzeug reparieren zu lassen.

Wurden Sie verletzt oder ein Angehöriger getötet, kann Ihr Rechtsanwalt für Sie ein angemessenes Schmerzensgeld sowie gegebenenfalls weitere Positionen, vom Haushaltsführungsschaden bis zum Erwerbsschaden durchsetzen. Mit anwaltlicher Beteiligung bekommen Sie im Ergebnis wesentlich mehr Geld als im Alleingang.

Schließlich kann ein Rechtsanwalt Sie auch im gerichtlichen Verfahren begleiten. Falls Sie sich entscheiden, eine Forderung von über 5.000 Euro gerichtlich einzuklagen, müssen Sie sich vor dem Landgericht anwaltlich vertreten lassen.

Welche Rechtsanwaltskosten entstehen?

Das RVG sieht gestaffelte Gebührensätze nach Gegenstandswerten vor. Für die außergerichtliche Tätigkeit erhält der Anwalt im Regelfall eine 1,3-Geschäftsgebühr. Wenn er eine Einigung mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung erzielt, sodass sich ein gerichtliches Verfahren erübrigt, bekommt er zusätzlich eine 1,5-Einigungsgebühr.

Macht der Rechtsanwalt Ihre Ansprüche gerichtlich geltend, erhält er eine 1,3-Verfahrensgebühr sowie eine 1,2-Terminsgebühr. Hinzu kann eine Vergleichsgebühr von 1,0 kommen, wenn das Verfahren mit einer Einigung endet. Die Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Vertretung wird bei einer späteren gerichtlichen Vertretung auf die Verfahrensgebühr zur Hälfte angerechnet. Zusätzlich zu den genannten Gebühren erhebt der Rechtsanwalt eine Pauschale für Post- und Telekommunikationskosten.

Beispielrechnung:
Sie machen Schäden im Wert von 12.000 Euro geltend. Ihr Rechtsanwalt erzielt eine außergerichtliche Einigung mit der gegnerischen Versicherung.

Geschäftsgebühr: 1,3: 785,20 Euro
Einigungsgebühr: 1,5: 906,00 Euro
Gesamtsumme: 2036,33 (inklusive Auslagenpauschale und Umsatzsteuer)

Sie machen 12.000 Euro Schadenersatz gerichtlich geltend, nachdem Ihr Rechtsanwalt Sie bereits außergerichtlich vertreten hat. Der Prozess endet durch Urteil.

Geschäftsgebühr 1,3: 785,20
Zwischensumme: 958,19 (inklusive Auslagenpauschale und Umsatzsteuer)
Verfahrensgebühr 0,65: 392,60 Euro
Terminsgebühr 1,2: 724,80 Euro
Gesamtsumme: 2.311,70 Euro (inklusive Auslagenpauschale und Umsatzsteuer)

Wer bezahlt den Anwalt?

Sofern Sie keine Schuld am Unfall tragen, muss die Gegenseite Ihnen die entstehenden Anwaltskosten vollumfänglich erstatten. Bei einem anteiligen Verschulden werden auch die Anwaltskosten entsprechend der Haftungsquote aufgeteilt. Wenn Sie rechtsschutzversichert sind und Ihre Versicherung des Baustein Verkehrsrecht umfasst, übernimmt Ihre Versicherung die Anwaltskosten, sofern Sie nicht vorsätzlich gehandelt haben. Einkommensschwache Personen können bei Erfolgsaussicht Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Tätigkeit des Anwalts und Beratungshilfe für die außergerichtliche Tätigkeit beantragen.

Scheuen Sie den Gang zum Rechtsanwalt also keinesfalls aus Kostengründen.

Unfall

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